Kolleging Jutta Pint, von jutta pint commcunications, Expertin für Public Relations und Social Media über Ihre Erfahrungen mit Social Media und ihr ambivalentes Verhältnis zu Facebook:
Am Anfang war ich eine Facebook-Verweigerin. Das gebe ich offen zu. Doch dann, als dieser Social Media Kanal immer größer und größer wurde, kam auch ich nicht mehr daran vorbei. Als Kommunikationsexpertin wollte ich mir das Fernbleiben nicht weiter erlauben. Also legte ich einen Account an und schaute mich ein bisschen um. Mehr nicht.
Nach zwei Monaten der sozialmedialen Unauffälligkeit kam die erste Freundschaftsanfrage, aus dem Nichts wie mir schien: Du hast aber nicht viele Freunde, schrieb mein Ex-Mann Fritz. Mit einem Klick wurde er mein erster FB-Freund. Ironie des Schicksals? Vielleicht. Jedenfalls hatte die Sache einen Haken, wie ich sehr bald feststellen sollte. Fritz ist nämlich nicht nur leidenschaftlicher Motorradjournalist sondern auch leidenschaftlicher Facebooker mit großen Fangemeinde. Einige seiner 4.000 FB-Freunde wollten auch mit mir digital befreundet sein. Gefühlte 50 mal am Tag klingelte mein Handy, um mir neue Freundschaftsanfragen anzukündigen. Ich lehnte fast alle ab. Denn eines geht gar nicht: Sich auf FB mit Fremden zu befreunden. Nenn es Berührungsangst. Ich will jedenfalls nicht, dass ein mir unbekannter FB-Freund meine gelb lackierten Zehennägel, die so schön im griechischen Urlaubssand leuchten, auf einem Foto sieht, das ich poste. Das ist mir zu intim. Und nein, ich will auch nicht mit einem Jeff aus USA befreundet sein, der lediglich fünf FB-Freunde hat, die allesamt mit Vornamen Jutta heißen. Gruselig, oder?
Doch dann nach zwei Jahren FB-Aufwärmzeit passierte etwas. Der erste Auftrag für eine FB-Kampagne wurde an mich herangetragen. Gott sei Dank bin ich kein FB-Neuling, dachte ich. Für eine erfahrene Facebookerin wie mich, die alle drei Monate einem inneren Drang folgend ein Bild postet, sollte das wohl eine leichte Übung sein. Dachte ich. Nun, seither hat sich die FB-Welt für mich gehörig verändert und dreht sich auf einmal viel schneller.
Seit einigen Jahren bin ich täglich auf FB. Ich verfolge alles. Ich suche Content, formuliere dreimal wöchentlich Postings, schau nach, welche Posts funktionieren und welche nicht. Dazu kommt das tägliche Monitoring der Berichte zum Thema, das Beobachten, das Recherchieren, das Reagieren auf Liebes- und Hass-Kommentare, das Liken, das Teilen von Inhalten. Nicht zu vergessen die wöchentlichen Redaktionssitzungen. Liebe Leute, eine FB-Kampagne zu managen ist Knochenarbeit. Aber auch schön. Ich freue mich immer, wenn ich mit Fans in Interaktion trete. Das funktioniert digital auch ganz wunderbar.
Die Realität hingegen sieht manchmal doch anders aus. Beispiel gefällig: Zu einer Veranstaltung, die ich u.a. auch auf der FB-Seite postete, meldeten sich 80 Teilnehmer via FB an. Freude groß! Was glaubt ihr wie viele gekommen sind? Zwei. Die alten FB-Hasen unter euch werden sich jetzt denken: eh klar, FB-Zusagen sind eben unverbindlich. Ganz ehrlich, ich wusste das nicht und war irritiert.
Doch dann passierte wieder etwas Erstaunliches. Die syrischen Kriegsflüchtlinge kamen in Scharen. Und so schnell kannst du nicht schauen, war jede Neuigkeit über das überfüllte Aufnahmelager in Traiskirchen auf FB verbreitet. Private Hilfsorganisationen formierten sich von heute auf morgen und eine Facebookerin hatte im Handumdrehen eine Initiative gegründet und eine Refugees Welcome-Demo mit 20.000 Teilnehmern auf die Beine gestellt. In nur zwei Wochen. Hut ab! Auch das ist Facebook.
Wisst ihr jetzt, warum ich noch immer nicht weiß ob ich FB mag oder nicht? Das Phänomen FB ist ambivalent. Auf der einen Seite permanente Freunschaftsanfragen, privater Content mit Selfies, süßen Katzenvideos, romantischen Sonnenuntergängen, Fotos von leckeren Speisen und Sinnsprüchen, die sich meistens wahr anfühlen. All das ist banal, oft belanglos, manchmal auch lustig.
Auf der anderen Seite die starke gesellschaftspolitische Komponente. Dort ist FB in der Lage echte Betroffenheit zu erzeugen, fähig, die Massen zu bewegen und ein kollektives Bewusstsein zu schaffen. Dort ist FB ein über die Grenzen hinausgehendes politisches Instrument.
Das ist doch faszinierend, oder? – Facebook ist eben genau das was du daraus machst!
Weitere Informationen über Jutta Pint www.juttapint.com